Manchmal wünsche ich es mir ganz still – nur für einen Tag. Kein Piepen, kein Rechnen, kein Scannen. Einfach nur ich, ohne System, ohne Sensor, ohne Zucker im Kopf.
Seit April 2024 bin ich offiziell Diabetiker. Somit „nur“ 18 Monate – und doch fühlt es sich an, als wäre da eine neue Identität über mich gestülpt worden. Ich bin noch derselbe Mensch, ja. Aber der erste Gedanke morgens ist nicht mehr „Was steht heute an?“, sondern: „Wie ist mein Wert?“
Der erste Moment – wie er sein könnte
Ich stelle mir vor, wie ich aufwache, ganz leicht. Kein CGM piept. Kein Bedürfnis, etwas zu kontrollieren. Nur das Morgenlicht auf meiner Haut und ein leerer Kopf. Nicht leer im Sinne von erschöpft – sondern frei. Frei von Zahlen.
Ich würde aufstehen und einfach Kaffee machen. Nicht überlegen, ob Koffein meinen Zucker pusht. Ich würde Milch reinkippen, ohne „KE oder nicht?“ Ich würde trinken, genießen – und nichts scannen.
Der Tag im Kopf
Ich würde spontan mit Freunden brunchen gehen. Die dicke Zimtschnecke in der Auslage würde mich anlachen – und ich würde einfach zurück lachen. Nicht wegen KE-Faktor, nicht wegen Bolus-Kalkulation. Einfach, weil ich Lust darauf hätte.
Ich würde nicht überlegen, ob ich genug Hypo-Notfallzeug dabei habe. Nicht in Gedanken alles vorplanen. Ich wäre unbeschwert – so wie früher, bevor mein Leben plötzlich von Kurven, Apps und Entscheidungen durchzogen war.
Ich würde auf einen Berg steigen, einfach so. Ohne Sensor, ohne Plan B. Und wenn mein Kreislauf schlapp macht – dann, weil ich müde bin, nicht weil ich „aus dem Zielbereich“ in eine Hypo falle. Pusteblume
Und am Abend?
Ich würde mir ein Glas Wein gönnen (oder auch mal zwei) – ohne dass ein Teil von mir gleichzeitig strategisch Insulin gegen Alkohol aufrechnet. Ich würde einschlafen, ohne dass mich ein leiser Alarm weckt, mich warnt oder zurück in die Realität holt.
Nur schlafen. Nur ich.
Doch dann…
… öffne ich die Augen. Ich greife automatisch nach dem Lesegerät. Es sagt 131 . Alles okay.
Und gleichzeitig ist da dieses kleine Ziehen im Bauch. Die Erinnerung daran, dass ich jeden Tag mein eigener Manager bin. Mein eigener Arzt. Mein eigener Alarm.
Es ist okay. Die Technik hilft – wirklich. Mein CGM ist ein Game Changer. Ohne ihn wäre vieles härter, riskanter. Ich weiß das. Und doch wünsche ich mir manchmal: Einen einzigen Tag. Ohne all das. Nur ich.
Nicht, weil ich undankbar bin. Sondern, weil ich Mensch bin.