Wenn Gefühle Zucker machen – ein Leben zwischen Hormonen und Hypers
„Der Zucker reagiert auf Stress“ – wie oft hab ich das gehört, wie selten hab ich’s anfangs geglaubt. Ich dachte lange, mein Blutzucker wird durch Kohlenhydrate, Insulin und Sport beeinflusst – fertig.
Tja… bis ich mal eine Panikattacke hatte und mein Wert auf 280 mg/dl (15,5 mmol/l) schoss – ohne einen einzigen Bissen gegessen zu haben.
Emotionen wirken mächtiger, als man denkt – hier sind die größten Psycho-Faktoren in meinem Diabetesalltag:
29. Akuter psychischer Stress
Der Klassiker: Du hast eine Präsentation, einen Streit, verpasst den Bus, bekommst eine schlechte Nachricht – und dein Blutzucker geht steil nach oben.
Warum? Stress aktiviert das sympathische Nervensystem („Kampf oder Flucht“) → Adrenalin, Cortisol & Co. werden ausgeschüttet → sie setzen Zucker aus der Leber frei und blockieren gleichzeitig die Wirkung von Insulin.
Ich sehe das auf meinem CGM fast live. Mein Loop versucht zu regulieren, aber manchmal kommt das System nicht hinterher.
Mein Tipp: Frühzeitig gegensteuern, Ruhe reinbringen, bewusst atmen – und ganz wichtig: nicht überreagieren mit Insulin. Oft pendelt sich der Wert auch wieder ein, wenn der Stress nachlässt.
30. Chronischer Stress
Das ist tückischer. Nicht die eine große Stress-Spitze – sondern der Dauerdruck. Job, Familie, Alltag, unerledigte Aufgaben, schlechtes Gewissen, permanente Anspannung.
Ich merke das nicht immer sofort – aber wenn ich über mehrere Tage das Gefühl habe, „nichts funktioniert“ beim Blutzucker, dann liegt’s oft nicht an der Ernährung oder Technik, sondern daran, dass mein Körper permanent auf Hochtouren läuft.
Die Konsequenz: Ich bin insulinresistenter, mein Bedarf steigt, Korrekturen wirken langsamer – und mein Schlaf leidet auch (siehe Teil 4…).
Was mir hilft: bewusste Pausen, kleine Routinen (z. B. Meditation, Spaziergänge ohne Handy), Tagebuch führen, Dinge „rauslassen“.
31. Angst & Panik
Das ist für mich persönlich die heftigste Form von emotionalem Stress.
Eine Panikattacke fühlt sich für den Körper wie Lebensgefahr an – und der Körper reagiert entsprechend: Adrenalin-Peak, Puls auf 180, Leber wirft Zucker ins Blut, Muskeln bereit zum Sprint (auch wenn du nur auf der Couch sitzt und hyperventilierst).
Blutzucker?
Ich versuche mittlerweile, bei Anzeichen von Angst NICHT sofort zu spritzen. Ich gebe mir etwas Zeit, weil der Anstieg oft sehr schnell wieder fällt, sobald die Panik abklingt.
Auch hier gilt: lieber beobachten, atmen, notfalls minimal korrigieren – aber vorsichtig. Und: Reden hilft.
32. Freude & Adrenalin
Lustigerweise (oder tragischerweise?) kann auch pure Freude einen ähnlichen Effekt haben.
Ich hatte mal ein Konzert, auf das ich mich riesig gefreut habe – alles war super, Stimmung top, Bewegung viel… und mein Zucker? Deutlich erhöht.
Warum? Adrenalin ist nicht „nur negativ“ – es kommt bei Angst wie auch bei Euphorie. Das sympathische Nervensystem unterscheidet da nicht groß.
Bei Sportarten mit Nervenkitzel (z. B. Klettern, Snowboarden, Fußballturniere) passiert mir das regelmäßig.
Ich plane mittlerweile bei solchen Events einen „Freude-Faktor“ mit ein – z. B. keine aktive Insulinabgabe kurz vor dem Start, und engmaschiges Monitoring mit CGM.
Fazit
Emotionen sind keine „weichen Faktoren“, sondern harte Einflussgrößen im Blutzuckermanagement.
Ich habe gelernt, dass mein Kopf nicht vom Körper getrennt arbeitet – alles hängt zusammen.
Es gibt Tage, da reagiert mein Zucker auf meine Stimmung schneller als auf mein Essen. Und wenn ich das erkenne, kann ich besser navigieren.
In Teil 6 der Serie geht’s dann um Weibliche Hormone & Zyklus – ein Thema, das zu wenig Aufmerksamkeit bekommt, obwohl es riesigen Einfluss hat (auch für Partner*innen und Angehörige super wichtig!).
Bleib stabil – auch wenn’s innerlich mal stürmt.