Zwischen Hypo und High – Sport mit Typ 1 ist kein Spaziergang (außer manchmal doch)
Sport ist wichtig, heißt es immer. Bewegung tut gut, Diabetes liebt Bewegung, Bewegung stabilisiert.
Ja, stimmt.
Aber Sport mit Typ-1-Diabetes ist eine Wissenschaft für sich. Und das meine ich nicht übertrieben – ich musste mich echt durch einige schweißtreibende Versuche (und ein paar Hypos auf dem Wanderweg) kämpfen, bis ich halbwegs verstanden habe, was bei mir funktioniert.
In diesem Teil geht’s um die Einflussfaktoren rund ums Thema Bewegung – aus meinem ganz persönlichen Alltag.
18. Art der Aktivität (Ausdauer vs. Krafttraining)
Das ist DER Gamechanger für mich.
- Ausdauertraining (Laufen, Radfahren, Schwimmen): senkt den Blutzucker meist deutlich – teils schon nach 15 Minuten. Ich muss fast immer Kohlenhydrate vorher essen oder Insulin reduzieren.
- Krafttraining (z. B. Hanteltraining, Bodyweight Workouts): führt manchmal sogar zu einem ANSTIEG des Blutzuckers – durch Adrenalin und Stressreaktionen im Körper.
Beides ist gut – aber beides erfordert komplett andere Strategien bei der Insulindosis.
19. Dauer und Intensität
Eine lockere Runde? Meist problemlos.
Ein 90-Minuten-Workout mit HIIT-Anteilen? Ganz andere Hausnummer.
Je länger und intensiver man trainiert, desto mehr muss man aufpassen.
- Bei kurzen, intensiven Einheiten steigt der Blutzucker oft erst mal → danach kommt der Abfall.
- Bei langen, gleichmäßigen Einheiten sinkt er fast stetig – manchmal sogar noch Stunden später.
Ich modifiziere oft temporär die Basalrate auf 50–70 % – je nach Intensität.
20. Zeitpunkt des Trainings (vor/nach dem Essen usw.)
Der Zeitpunkt entscheidet oft darüber, ob das Training easy läuft oder in der Katastrophe endet.
- Morgens nüchtern: braucht man kaum Insulin, aber muss eventuell was essen.
- Direkt nach dem Essen: schwierig – Insulin ist aktiv („Insulin on board“), da geht’s gern steil abwärts.
- 2–3 Stunden nach dem Essen: für viele der Sweet Spot. Wenig Restinsulin, etwas Glukose im System, geringes Risiko.
Plant das Training deshalb bewusst – so spontan es manchmal auch sein soll.
21. Erholung nach dem Sport
Klingt erst mal harmlos – ist aber entscheidend.
Nach intensivem Sport kann der Insulinbedarf stundenlang reduziert sein. Das liegt an der gesteigerten Insulinsensitivität durch Muskelarbeit.
Das kann zu nächtlichen Hypos nach Sporteinheiten am Nachmittag führen – Die Basalrate abends zu senken oder vor dem Schlafen langsame Kohlenhydrate einzuplanen kann helfen.
Wichtig: Der Sport ist nicht vorbei, wenn das Duschen beginnt – der Blutzucker spielt auch nach dem Training noch mit.
22. Muskelkater
Ja, wirklich – Muskelkater erhöht manchmal den Blutzucker.
Warum? Es ist eine Mini-Entzündung, der Körper reagiert mit Stresshormonen – und das erhöht die Glukoseproduktion.
Besonders nach einem neuen Trainingsreiz (z. B. neue Übung, lange Pause, hohe Gewichte) merkt man manchmal: Am nächsten Tag ist der Blutzucker stabil höher. Korrigiert dann etwas zurückhaltend – zu viel Insulin wäre riskant, weil sich das oft plötzlich wieder normalisiert.
23. Stress durch Sport (Wettkampfsituation)
Das kann zu einer Überraschung führen. Ich dachte immer: „Sport = sinkender Zucker“. Anders kann das in einer Wettkampfsituation aussehen. Blutzucker auf 250 mg/dl – ohne Frühstück, ohne Kohlenhydrate.
Warum? Adrenalin. Nervosität. Aufregung. Der Körper denkt: „Kampf oder Flucht“, nicht „Joggingrunde“.
Senkt möglicherweise die Basalrate etwas im Vorfeld und habt immer Traubenzucker dabei.
Fazit
Sport ist kein „einfach machen und gut ist“. Es ist Planung, Ausprobieren, Protokollieren, Anpassen.
Aber: Es lohnt sich. Man wird fitter, stabiler, besser drauf – und mit der richtigen Strategie klappt’s auch ohne Angst vor der Hypo.
Teil 4 der Serie wird sich um Schlaf und Tagesrhythmus drehen – weil selbst im Schlaf Dinge passieren, die der Blutzucker nicht vergisst.
Bleib in Bewegung – aber immer mit Plan!